Dezentralisierung ist die letzte Chance für ein freiheitliches Jahrhundert

Christian Sadrinna
6 min readMar 27, 2022

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Photo by Artem Kovalev on Unsplash

Lesen und verstehen, wie …

  • Künstliche Intelligenz in zentralen Händen unsere Freiheit gefährdet,
  • Dezentralisierung vor Machtmissbrauch schützt und
  • kommende Technologien zu mehr globalem Handel führen wird.

Ausgangslage

Die letzten 30 Jahre wird uns rückblickend als Geburtsstunde und Erwachsenwerden des Internets und der digitalen Welt in Erinnerung bleiben. Wir haben den Aufstieg der großen und globalen Konzerne wie Amazon oder Google miterlebt und uns ist in der Debatte um Datensicherheit immer wieder vor Augen geführt worden, was ein zu Hohen Maß an Zentralisierung in diesem Zusammenhang bedeuten kann. Wir befinden uns nun in einer entscheidenen Phase, in dem wir (als Gesellschaft) das weitere Maß der Macht von zentralen Entitäten über unsere Leben bestimmen werden — das beinhaltet die Beziehungen von uns zu Staaten, Konzernen oder auch untereinander und hat damit elementaren Einfluss auf jedwede Handlung in unserem Leben.

Kernaussage (dieses Textes)

Zentralisierung ist gut und schafft die notwendige Effizienz, um Fortschritt zu erlauben — allerdings ist immer ein Maß an Dezentralisierung nötig, um Machtmissbrauch zu verhindern. Demokratien haben eine eingebaute Dezentralisierung — welche heute zunehmend weniger funktioniert. Im Falle einer Verlagerung von grundlegenden Kernaufgaben (z.B. Ausstellung einer Identität) vom öffentlichen Sektor in den privaten Sektor, sind die notwendigen “dezentralen” Elemente unabdingbarer denn je. Im Falle einer weiteres Fortschreitens von künstlicher Intelligenz in eben jeden privaten Händen, wird die Frage existenziell. Dezentralisierung mit Hilfe von Blockchains und anderen dezentral wirkenden Technologien sind ein Segen, den wir gesellschaftlich willkommen heißen sollten.

Seit Beginn der menschlichen Spezies ist diese praktisch dezentral organisiert gewesen — eigentlich. Die letzten 500 Jahre haben dieses Ursprung allerdings verkehrt. Die zivile Gemeinschaft ist durch den allgemeinen (oftmals technischen) Fortschritt zusammengewachsen und aus einstigen unabhängigen und selbstversorgenden Individuen sind abhängige Menschen in Metropolen geworden. Angelockt durch gut bezahlte Arbeit, Fortschritt und besseren Lebensbedingungen waren es erst Großgrundbesitzer, später Fabriken, heute Konzerne die diesen Trend ausgelöst haben. Aus kleinen Dörfern sind Metropolen geworden, in denen Menschen leben und arbeiten. Eine Zentralisierung die sich über Jahrhunderte erstreckt und uns zu der Gesellschaft hat werden lassen, wie wir sie heute kennen. Eine Gesellschaft die in vielerlei Hinsicht sehr zentralisiert organisiert ist und wir diese Tatsache auch für den Normalzustand halten. Staaten, Firmen, Organisationen. Die einzige Richtung der Veränderung: Mehr Zentralisierung — um das Mantra von mehr Effizienz, mehr Wachstum und mehr Kontrolle dauerhaft zu wiederholen. Das muss doch gut sein.

Beispiel aus der Corona Pandemie: Ist es nicht die gutbürgerliche Meinung gewesen, dass das chinesische System (Zentral) die Pandemie allgemein viel besser unter Kontrolle hatte, als unser föderales (dezentrales) System? Natürlich. Zentrale System sind unglaublich effizient und konsequent — per Definition.

Warum sollte dann also das Gegenteil Dezentralisierung besser sein?

Klarstellung: Mir geht es nicht um eine schwarz-weiß und besser-schlechter Diskussion. Beides wird existieren. Beides hat eine Relevanz. Beides. Im digitalen Hochgeschwindigkeitszeitalter in der die Zentralisierung die letzten 30 Jahre bestimmt haben (Platform Ökonomie von Amazon, Apple & Co.), muss aber wieder Platz für mehr Dezentralität sein: aus elementaren Gründen. Nehmen wir zum besseren Verständnis den “Staat” als Beispiel.

Beobachtung 1

Staaten sind zwar zentrale Gebilde, welche durch demokratische Strukturen (Legislative, Executive, Judikative, Föderalismus, …) eine hinreichende Machtverteilung gewährleisten und dadurch ineffizient und dezentral wirken. Das erscheint am Stammtisch oftmals als Konstruktionsfehler der Demokratie, ist aber wichtig, um “Macht” zu verteilen und kurzweilige Stimmungen (z.B. Proteste) auszusitzen.

Beobachtung 2

Jüngere oder autoritäre Staaten sind hingegen oftmals klarer, stringenter und wirken äußerlich damit auch effizienter. Es gibt “kurze Prozesse” — im wahrsten Sinne. Explizite Anmerkung: Hier ist keine Wertung (Besser — Schlechter) über die jeweiligen Staatsform enthalten.

Beobachtung 3

“Macht” tendiert zu einer gewissen Zentralisierung im Zeitverlauf. Unterstellt man die gesellschaftliche Grundabsicht, dass man “Machtmissbrauch” vermeiden möchte, so muss eine Gesellschaft entsprechende Vorkehrungen treffen. Im Idealfall verzögert sich die Machtakkumulation damit bis ins Unendliche. Andernfalls könnte die Volksseele eine Imbalance der Macht verspüren und als Folge eine elementare Neujustierung mit Hilfe von Revolutionen einleiten (wie immer in der Vergangenheit).

Zurück zum digitalen Umbruch und einer Zeitenwende, in der andere Strukturen bereits heute mehr Macht besitzen als die anerkannten Staaten. Macht über Daten. Macht über Rechenkapazität. Macht über Finanzen. Wir leben in einer digitalen Welt in der zentrale Mächte in der eine balancierte Machtverteilung aus gesellschaftlicher Perspektive zum Thema des Jahrhunderts werden könnte. Warum?

Gedanken: Digitalisierung bedeutet auch, dass wir vermehrt den physischen Raum verlassen und uns parallel in einen virtuellen Raum begeben (#Metaverse #Cyberwelt). Genauso wenig wie wir uns 1990 die Existenz von iPhones vorstellen konnten, genauso wenig können wir uns heute das oftmals zitierte Metaverse vorstellen. Unabhängig davon was sich jeder von uns darunter vorstellt, wird es doch unumstritten immer die selben Themen geben, die in JEDER Welt (virtuell oder physisch) gelten: Schutz von Eigentum, Identitätsnachweis oder Infrastruktur. Der springende Punkt: Ein Staat übernimmt genau diese Funktionen auf territorialem Gebiet und verwaltet die Bürger die innerhalb dieser physischen Grenzen leben und arbeiten. Im Gegenzug gewährt die Institution physiche Sicherheit und verspricht Wohlstand — auf Basis von Mitteln der Gewalt (Executive), Rechtsstaatlichkeit (Judicative) und Ordnung (Legislative). Dieser so natürliche und grundlegende Deal zwischen Bürgern und einem Staat, ist in einer Cyberwelt komplett offen und strahlt natürlicherweise auch auf unsere reale Welt aus.

Provokante Frage: Warum sollte Apple nicht auch ein Staat sein können der sowohl physisch als auch virtuell alle Belange seiner Nutzer erfüllt? Identität bestätigen (#AppleID). Schutz gewähren (#Apple Wallet). Lebensraum bieten (#Apple Themenpark — siehe Beispiel von Disney).

Technologische Superlative

Soweit so gut — schauen wir aber ein bisschen weiter. Ein wesentlicher Kernaspekt der Digitalisierung ist der Hype um künstliche Intelligenz (KI) und auch Quantencomputern. Ohne weitere Details zu den Themen nur folgende Vereinfachung: Beide Technologien sind gigantische Machtverschieber die in den kommenden 10 Jahren ihre ersten Anwendungsfälle finden werden.

Was bedeutet Machtverschieber? Ein kurzer Blick zurück zu einer ähnlichen “Machtverschieber” Erfindung aus dem 15. Jahrhundert. Die Erfindung des Schießpulvers hat die Machtverhältnisse damals so elementar verändert, dass Staaten als Konsequenz entstanden sind und das das Ende der mittelalterlichen Kirche eingeläutet wurde (#Luther). Heutzutage sind es Quantencomputer und KI die ähnliches vollbringen können. Beide Technologien befinden sich heute mutmaßlich am ehesten bei den zentralen BigTech Unternehmen.

Wollen wir als Erdengesellschaft darauf vertrauen, dass zentrale Strukturen im Besitz jener Machtverschiebungstechnologien immer im besten Sinne handeln?

Das Gegengewicht

Ich glaube nicht an apokalyptische Distopien und den baldigen Untergang des Abendlandes, denn aus meiner Sicht gibt es zwei Tendenzen die sich abzeichnen, die hier eine wichtige Rolle spielen werden. Eine wichtige Rolle, um die Kräfteverhältnisse im Zaun zu halten und uns sogar in eine bessere und strahlendere Zukunft katapultieren können, als wir uns es heute ausmalen können.

  • Mehr dezentrale Technologien
  • Mehr Marktmechanismen

Zum einen gibt es neben KI- und Quantencomputern viele Technologien, die in den kommenden 10 Jahren unsere Gesellschaft für immer prägen werden. Viele davon haben eine dezentrale Natur. Beispielsweise führt der 3D Druck bereits heute dazu, dass eine Rückkehr zu lokaleren Produktionen zu verzeichnen ist. Plötzlich entfallen hohe Transport und Importkosten aus zentralen Fernost Produktionsstätten und es rechnet sich der individuell- und lokal produzierte Turnschuh aus Schwaben. Damit wir auch im ländlichen Raum — unabhängig von zentralen Metropolen — gut produzieren können, sorgt das Internet aus dem Weltall (#Starlink) für die notwendige Infrastruktur. Dezentralität — ermöglicht durch Technologie.

Die wirkliche Technologie der Dezentralisierung ist allerdings Blockchain — mit all ihren Facetten und Untertechnologien (z.B. Verschlüsselungen). Durch den Einsatz von dieser End-to-End-Technologie ermöglicht man den sicheren Austausch und gewährleistet die volle eigene Kontrolle. Beispielsweise bei den wichtigen Themen Identitäten oder Eigentum. Digital oder Analog. Lokal oder Global. Wir können es uns kaum ausmalen, was es bedeuten wird, eine globale und universelle Infrastruktur wie die diversen Blockchains zu haben. Die Konsequenz wird u.a. dafür sorgen, dass wir MEHR globalen Wettbewerb und MEHR Märkte haben werden. Mehr Märkte fördern den Wettbewerb, Innovationen und sorgen für handel. Dabei geht es nicht nur um den Handel zwischen größeren Unternehmen die international tätig sind, sondern auch und vor Allem um die Möglichkeit, dass viel kleinteiliger und diverser handel betrieben werden kann. Zwischen Menschen. Zwischen Maschinen. Eine Vernetzung und ein Markttreiben in einem Ausmaß, wie es sich bisher keiner vorstellen kann. Und das schafft Verteilung. Von Macht. Von Geld. Von Wohlstand. Eine Verteilung in einem dezentralen System und Geflecht mit Milliarden Akteuren. Eine Verteilung, die ein gutes Gegengewicht bieten kann und Wohlstand für Viele schaffen wird.

Fazit

Die Frage nach Zentralisierung oder Dezentralisierung ist keine “Entweder-Oder” Frage für eine Gesellschaft. Es ist eine “Sowohl-als-auch” Entscheidung. Im Bezug auf die kommenden Jahrzehnte ist sie allerdings wichtiger denn je zu verstehen und adequat zu justieren. Die Digitalisierung hat bereits den Schiebregler zu Lasten der Dezentralisierung verschoben und weitere wichtige technologische Entwicklungen könnten das verstärken. Dieser Zustand ist aus freiheitlicher Sicht höchst bedenkenswert und ein MEHR an Dezentralisierung wünschenwert. Hierbei ist die Zukunft keinesfalls vorbestimmt und wir (die Gesellschaft) müssen dafür sorgen, dass das Maß an Machtverteilung gewogen bleibt — das schaffen wir durch Dezentralisierung auf globaler Ebene beispielsweise mit dem technischen Konstrukt einer Blockchain — und weiteren dezentral wirkenden Technologien. Diese Entwicklung sollten wir bestmöglich unterstützen und fördern, wenn wir weiterhin an einer freiheitlichen Form des Zusammenlebens Interesse haben.

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